Frau L. bekam ihre Tasse Kaffee vor sich hingestellt. Daneben stand der Tee und das Dessert. Es war offensichtlich, dass Frau L. im Moment nicht wusste, was anzufangen sei mit diesem Angebot.
Daneben wurde eine Tasse Kaffee für mich hingestellt. Ein wenig später nahm ich sie zu mir, um sie auf mein Tischchen zu stellen, auf dem mein Liederordner lag. Verstimmt beugte sich Frau L. zu ihrer Mitbewohnerin und klagte: «Jetzt hat dieses Fräulein mir den Kaffee gestohlen.».
Ich ging auf Augenhöhe und sagte: «Oh, Frau L., habe ich Ihnen einfach Ihren Kaffee weggenommen? Das tut mir sehr leid! Das war nicht nett!». Sie strich mir über den Arm und sagte, es sei schon gut. Ich fragte sie, ob ich den Kaffee behalten darf, und sie bejahte.
Danach war sie in sehr guter Stimmung und sang und redete angeregt mit mir. Ihr Dessertangebot benutzte sie nach wie vor nicht – die Auswahl war heute zu gross.
Bei einer Demenzerkrankung ist immer die eigene Wahrheit die Richtige. Argumentieren, vom Gegenteil oder der Realität zu überzeugen, hilft und bringt nichts. Es verunsichert und schürt bei der von der Krankheit betroffenen Person Ängste und Wut. Sie versucht nicht, uns zu verletzen. Sie versucht, sich zurechtzufinden in einer Welt, die ihr entgleitet.